Elektrizität

Obwohl wir auf dem Weg zur Klimaneutralität knapp 2/3 unserer Primärenergie werden einsparen müssen, wird das Stromnetz, das aktuell nur ca. 20 % davon ausmacht, als ganzes wachsen. Wärmepumpen, die Elektrifizierung des Verkehrssektors und die Umstellung vieler industrieller Prozesse auf CO2-freie Verfahren werden einen Ausbau des Stromnetzes um Faktor 1,5 bis 2,5 erforderlich machen.
Zum bundesweiten Modell

Gleichzeitig muss das Stromnetz mit dem schwankenden Angebot erneuerbarer Energien klar kommen. Daher gibt es hier erhebliche Probleme zu lösen.

Netz

Netzausbau

Bei einer erheblichen Steigerung der Stromnachfrage, verknüpft mit weiteren Transportwegen, da die erneuerbaren Erzeuger auf die ganze Landesfläche verteilt sind und nicht, wie konventionelle Kraftwerke, genau dort stehen, wo viel Strom gebraucht wird, ist ein Ausbau der Übertragungsnetze unausweichlich. Für die geplanten Nord-Süd-Trassen wird zunehmend auf Gleichstromübertragung (HGÜ) gesetzt.

Während bei DHÜ mögliche, gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Menschen, die sich dauerhaft im Raum der Energieübertragung aufhalten, diskutiert werden, sind die statischen Felder der HGÜ in der gegebenen Intensität vollkommen unbedenklich. Freileitungen, deren Masten so hoch sind, dass unter den Leitungen noch mittelgroße Bäume wachsen können, stellen auch für die Natur nur eine moderate Belastung dar.

Daher soll Hessen für alle HGÜ-Projekte eine geeignete Trasse als Freileitung genehmigen. Das ist längst überfällig.https://www.energieland.hessen.de/mm/Doll_BNetzA_Netzausbau_Kassel_20140826.pdf

Kleinere Strompreiszonen

Auch mit schnellem Netzausbau bleibt die Übertragung von elektrischer Energie eine teure Herausforderung. Derzeit gibt es eine große Strompreiszone für ganz Deutschland. Das sorgt für Probleme: Wenn z. B. große Mengen Windstrom in Norddeutschland anfallen, fällt der Strompreis überall. Dann nutzen energieintensive Industrien in Süddeutschland die Gelegenheit, ihre Produktion hochzufahren und Strom wird nach Östereich und in die Schweiz exportiert.

Wenn das Stromnetz die Leistung aber nicht von Norden nach Süden transportieren kann, müssen trotzdem wieder Kohle- oder Gaskraftwerke in Süddeutschland hochfahren während die Windenergieanlagen an der Küste abgeregelt werden. Diese erhalten dann trotzdem ihre Vergütung, was das ganze System recht teuer macht. Im Moment betrifft das nur ca. 1 % der Energiegewinnung2020: ca. 6 von 128 TWh Windenergie oder 502 TWh Strom insgesamt abgeregelt - https://blog.naturstrom.de/energiewende/abregelung-von-erneuerbaren-energien/, aber das Problem wird in den nächsten Jahren relevanter werden.

Um nicht nur zeitlich, sondern auch örtich eine Anpassung des Verbrauchs an das Abgebot erneuerbarer Energien zu fördern, muss der Energietransport eingepreist werden. Eine leicht realisierbare Möglichkeit dafür ist, Deutschland in mehrere Strompreiszonen einzuteilen. Hessen gehört zu den Ländern, die das blockieren.https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundeslaender-strom-100.html

Eine Stärke von Kapitalismus und Marktwirtschaft ist, dass sich das System unter entsprechendem Preisdruck durchaus an veränderte Bedingungen anpassen kann. Mit einem künstlich einheitlich gehaltenem Strompreis für ganz Deutschland oder gar einem gesonderten, reduzierten Industriestrompreis betreibt man eine Deoptimierung der Wirtschaft entgegen physikalischer Rahmenbedingungen. Wir wollen daher die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen voran bringen.

Photovoltaik

Freiflächenanlagen

Auch, wenn man eine optimistisch hohe Nutzung der Dachflächen für Photovoltaik annimmt, werden wir noch 1 bis 3 % unserer Ackerfläche für PV-Anlagen nutzen müssen. Das ist kein Problem im Hinblick auf die großen Ackerflächen, auf denen Mais für die Erzeugung von Biogas angebaut wird (Siehe unten).

Dennoch sehen wir neue PV-Parks, wo die Module zunehmend dicht and dicht gestellt werden und nur wenig Platz für eine Wiese lassen, auch kritisch. Schon heute fällt der Strompreis bei klarem Wetter tagsüber oft auf Null.In der Kalenderwoche 22 fiel der Strompreis während die Sonne schien mehrfach dauerhaft auf unter Null Noch gibt es keine Elektrolyseure in großem Stil, die die Überschüsse aus PV-Energie abnehmen könnten. Diese werden auch noch eine Weile auf sich warten lassen, da solche Anlagen teuer sind und sich erst dann lohnen, wenn sie regelmäßig betrieben werden können.

Agri-PV mit Bifazialen Modulen

Der Strom aus PV-Parks mit Südausrichtung wird also in Zukunft immer schwerer zu vermarkten sein. Daher sind zunehmend Anlagen mit Ost-West-Ausrichtung von Interesse. Besonders interessant ist hier Agri-PV mit bifazialen Modulen. Bei diesen wird auf jede Seite des Siliziumwavers eine Fotodiode aufgetragen, das Modul beidseitig in Glas verpackt und vertikal auf einem Acker aufgestellt. Solche Anlagen liefern morgens und abends höhere Erträge, als die nach süden ausgerichteten Solarparks.

Unabhängig von der Bauform ist ein größerer Aufwand erforderlich, um abgelegene Flächen mit Stromleitung usw. zu erschließen, sodass dort eine Anlage entstehen kann. PV-Parks mit einer installierten Leistung von unter 6 MW sind als Investitionsprojekte daher zunehmend uninteressant. Bei vertikalen Modulen muss viel mehr Platz zwischen den Reihen gelassen werden, damit sich diese bei niedrigem Sonnenstand nicht zu sehr verschatten. Um damit eine installierte Leistung von 6 MW zu erreichen, werden mehr als 15 ha Fläche benötigt.Beispiel: 2 MWp bifazial auf 7 ha - Definition der Spitzenleistung unklar (https://www.energie-klimaschutz.de/systemdienliches-agriphotovoltaik-konzept-mit-senkrecht-aufgestaenderten-bifacialen-modulen/)

Bifaziale Projekte scheitern derzeit in Südhessen daran, dass das Regierungspräsidium in Darmstadt nur höchstens 5 ha als zusammenhängende Fläche für PV genehmigt.Einziger uns bekannter Solarpark im Regierungsbezirk Darmstadt mit mehr als 6 MWp steht bei Dreieich. Vgl. https://www.marktstammdatenregister.de/MaStR/Einheit/Detail/IndexOeffentlich/4027092 Für Agri-PV sollten daher auch wesentlich größere Flächen genehmigt werden. Das ist kein Problem, da zwischen den Reihen weiterhin Landwirtschaft betrieben werden kann. Einige Pflanzen profitieren durch die teilweise Verschattung, die in Kombination mit dem entstehenden Windschutz zu einer Einsparung von Wasser beiträgt.

Biomasse

Auf stolzen 14 % unserer landwirtschaftlich genutzen Fläche werden Pflanzen zur energetischen Nutzung (Biogas oder -diesel) angebaut.https://www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/naturschutz-und-energie/naturschutz-und-bioenergie Zum größten Teil (9,5 % der landwirtschaftlichen Fläche) ist das Biomethan, wofür vorwiegend Mais in riesigen Monokulturen angebaut wird. Mit diesem Biogas generieren wir dann 4,8 % unserer Bruttostromerzeugung.Beispiel 2018: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/622560/umfrage/stromerzeugung-aus-biogas-in-deutschland/ und https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153267/umfrage/bruttostromerzeugung-in-deutschland-seit-1990/ Das ist kein zielführendes Konzept.

PV-Anlagen schaffen 20 mal höhere Energieerträge pro Fläche.https://www.naturschutz-energiewende.de/fragenundantworten/147-vergleich-flaecheneffizienz-bioenergie-photovoltaik-windenergie/ Der einzige Vorteil der Biomasse ist, dass diese gespeichert werden kann. Doch dieser Vorteil wird überhaupt nicht genutzt. Die meisten Biogasanlagen sind nicht an das Gasnetz mit seinen riesigen Speichern angeschlossen2021 wurden ca. 90% des Biogases nicht eingespeist: 9,7 TWh Biomethan ins Gasnetz wurden eingespeist (https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Monitoringberichte/MonitoringberichtEnergie2022.pdf?__blob=publicationFile&v=6) gegenüber insgesamt 29 TWh Strom aus Biogas bei 35% Wirkungsgrad, sondern das Gas wird vor Ort kontinuierlich in Strom umgesetzt. Selbst dann, wenn Wind und Sonne verfügbar sind und jedes andere, kalorische Kraftwerk so weit es geht herunter fährt, laufen die Biogasverstromer weiter und erhalten ihre feste Einspeisevergütung nach EEG.Siehe z. B. 13.3.2021: https://www.energy-charts.info/charts/energy/chart.htm?l=de&c=DE&chartColumnSorting=default&interval=day&year=2021

Von dieser rücksichtslosen Nutzung von Biomasse müssen wir schnellstens weg kommen. Gleichwohl sind viele Landwirt*innen von den Erträgen aus Biogas und den damit verknüpften Agrarsubventionen abhängig. Die Situation wird sich noch verschärfen, wenn die EU im Zuge von Mercosur den Importzoll auf Zucker senkthttps://www.eesc.europa.eu/de/news-media/press-releases/eu-muss-zoelle-auf-zucker-beibehalten und Zuckerrüben dann auch nur noch für Biogasanlagen verwendet werden können.

Die Landwirtschaft ist kaum in der Lage sich anzupassen, da in Deutschland nurnoch 1,4 % der der Erwerbstätigen in diesem Bereich arbeiten. Die verbleibenden Landwirt*innen sind oft stark überarbeitet, ihre Höfe verschuldet.https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/selbstmorde-landwirten-nehmen-krisenzeiten-585274 Die Zahlen zu Biogas aber auch Flächeneffizienz veganer Ernährung gegenüber tierischen Produkten zeigen allerdings, dass wir leicht einen erheblichen Teil der Landwirtschaft zurück fahren können, ohne dass uns die Lebensmittel ausgehen.

Landwirtschaft darf nicht mehr ausschließlich als Primärsektor zur Herstellung von Agrarprodukten betrachtet werden, sondern kann auch Dienstleisterin für die Schaffung biodiverser Lebensräume sein. Wir brauchen eine Stilllegungsprämie für Biogasanlagen, die nicht an das Gasnetz angeschlossen sind. Vorrübergehend sollen solche Anlagen nurnoch in den Wintermonaten laufen. Als Energiepflanze, die eine bessere Ökobilanz als Mais aufweist, kann auch die durchwachsene Silphie angebaut werden. Landwirt*innen brauchen dafür eine Biodiversitätssubvention, die die Agrarsubventionen und die EEG-Förderung des Biogases ersetzt.

Windkraft

Viele Windvorranggebiete in Hessen sind im laufenden Prozess verworfen worden.Vergleiche z.B. Teilplan Erneuerbare Energien Südhessen von 2019 - Im TPEE unbeplante Fläche - (Weißfläche) Veränderung gegenüber TPEE Entwurf 2016 Für eine klimaneutrale Energieversorgung mit entsprechender Bedienung von Speichern müssen wir die Menge der Anlagen um Faktor 3-5 steigern. Dabei wird die Frage der Verteilungsgerechtigkeit immer wichtiger werden.

Ein Problem ist, dass die Gewinne von Windenergieanlagen am Sitz des Unternehmens versteuert werden, nicht am Standort der Anlagen. Seit der EEG-Novelle 2021§6 EEG können Kommunen einen Anteil der Gewinne neuer Anlagen des örtlich erzeugten Stroms erhalten. Wir stellen in Frage, ob mit dieser Regelung das Problem angemessen behandelt wird.

Wir halten es für sinnvoll, bedingt höhere Kosten in Kauf zu nehmen, um Windnenergie durch PV zu ersetzen. Da PV-Anlagen nur tagsüber und vornehmlich im Sommer einspeisen, muss mit einem höheren PV-Anteil sehr viel mehr Aufwand in Speicherung großer Mengen Energie, wie sie mit Power-to-X erreicht wird, gesteckt werden. Das macht das Gesamtsystem teurer. Ziel ist, dies genauer einzupreisen, sinnvolle Faktoren zu ermitteln, mit wie viel Installierter PV-Leistung welche Menge an Windenergie gespart werden kann. So soll auch direkte Demokratie für Entscheidungen in Fragen der Energiewende vor Ort möglich werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung macht das Projekt Lokaler Energiewende-Dialog der Leibnitz Universität Hannover.https://www.umwelt.uni-hannover.de/de/vonhaaren/forschungsprojekte/forschungsprojekt-detailansicht-haaren/projects/lokaler-energiewende-dialog/

Der Aufbau von Anlagen im Wald zerstört viel Fläche, wir möchten Verfahren fördern, die mit weniger Fläche auszukommen. Ebenso möchten wir Forschung zur zeitweisen Abschaltung von Anlagen bei Vogel- oder Fledermausflug voran bringen.