Soli-Demo für LG

24.04.2025: Demo in Frankfurt, unser Redebeitrag: Über die Kriminalisierung der Klimabewegung und strukturelle Probleme.

Videoaufzeichnung

Da sehr wenig Zeit war, musste die Rede bei der Demo stark gekürzt werden. Wir haben unten den vollständigen Text veröffentlicht, den wir vorbereitet hatten.

Rede als Text (Vollständig)

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Hallo,
in meiner Rede wird es um die Kriminalisierung der Klimabewegung gehen. Kriminalisierung bedeutet, friedliche Handlungen durch mediale Propaganda oder gezielte Umdeutung von Kausalitäten in vermeintliche Straftaten umzuwandeln.

Das wurde zum Beispiel bei der Fecher-Waldbesetzung so gemacht. Dort hatten sich einige Menschen Strukturen in den Baumkronen gebaut um friedlich gegen die Rodung des Waldes zu protestieren. Darunter auch ich. Dazu muss man sagen, dass das Überbauen von gewidmeter Infrastruktur in Deutschland gängige Praxis ist und für politische Zwecke aller Art angewendet wird. Die Gemeinde Roßdorf errichtete 1993 auf der gewidmeten Bahntrasse 3555 ein Altenwohnheim um die dauerhafte Abscheidung des Ortes vom Eisenbahnnetz zu erreichen und Menschen zur Nutzung des Autos zu zwingen. Jetzt gerade wird in Berlin ein Supermarkt auf der Vorhaltetrasse für eine S-Bahn gebaut.

Im Fechenheimer Wald haben sich Menschen nach Auflösung der Versammlung nicht entfernt und sich im Rodungsbereich aufgehalten. Das sind beides einfache Ordnungswidrigkeiten. Um zu verhindern, dass dann weitere Menschen diesen Bereich betraten, lies die Polizei einen Zaun errichten, der das Waldstück von den darum herum demonstrierenden Menschen trennen sollte. Den im Auftrag der Polizei errichteten Zaun nutzte dann die Autobahn-GmbH, um Menschen, die sich am zweiten und dritten Tag im umzäunten Bereich aufgehalten hatten, wegen Hausfriedensbruchs anzuzeigen.

Statt Verbrechen zu bekämpfen, machte sich die Polizei selbst zur Komplizin, um die Straftat des Hausfriedensbruchs herbeizuführen. Damit ein Hausfriedensbruch vorliegt, muss man sich in einem vollständig umfriedeten Bereich aufhalten und eine Aufforderung eines Eigentümers diesen zu verlassen, ignorieren. Eine solche Aufforderung wurde nie ausgesprochen. Es gab lediglich eine Auflösung der Versammlung, als das Areal noch nicht umzäunt war. Diese Kausalität wird von Staatsanwaltschaft und Gericht nun einfach ignoriert und alle Aktivisti werden auch zwei Jahre nach der Räumung noch einzeln oder paarweise vor Gericht gezerrt.

In einigen Medien werden Begriffe, wie Klimaterroristen verbreitet. Was ist ein Klimaterrorist? Logischer Weise jemand, der mit aktiv kämpferischen Mitteln extreme, klimatische Veränderungen herbeiführen will und den Menschen auf diesem Planeten damit vorsätzlich schaden will. Putin ist so ein Musterbeispiel für einen Klimaterroristen, der im Glauben, dass sein Land vom Klimawandel profitieren würde, extra klimaschädliches Fracking einsetzt und so viel fossile Energie wie möglich exportiert. Aber natürlich will Putin sich als Staatsmann und nicht als Terrorist inszenieren. Also lässt er seine Trollfabriken den Begriff des "Klimaterroristen" im Bezug auf Menschen, die sich mit friedlichen Mitteln für ein stabiles Klimasystem einsetzen, in die Debatte einstreuen. Das ergibt zwar nicht den geringsten Sinn, aber wenn man es nur oft genug wiederholt, akzeptieren es manche Menschen mit der Zeit so.

Nun stehen wir heute hier aus Solidarität zur Letzten Generation, die völlig zu unrecht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt wird. Zeitgleich haben Landwirte auf die gleiche Weise aber deutlich radikaler in ihren Aktionen für ihre Themen protestiert. Wird nun der deutsche Bauernverband ebenfalls wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt? Nein. Aber warum ist das so?

In der letzten Verhandlung gegen Aktivisti aus dem Fecher behauptete der Staatsanwalt, dass man Klimaschutz nur mittels einer Diktatur durchsetzen könne. Das ist die typische Darstellung von russischen Nationalisten und deutschen Rechtsextremen. Verfassungsfeindliche Ideologien haben es also auch in die Judikative geschafft. Somit ist dann auch offensichtlich, warum die einen für friedlichen Protest als Kriminelle angeklagt werden und die anderen für teils gefährlichen Vandalismus von der Politik mit Kompromissen belohnt werden.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Dass ich heute aus Solidarität für die Letzte Generation hier spreche, heißt nicht automatisch, dass ich mit allen Aktionen dieser Gruppe einverstanden bin oder war. Ich habe tatsächlich lange nachgedacht, ob ich heute überhaupt eine Rede halten möchte.

Woher kommt die Überzeugung, dass man mit dieser Art von zivilem Ungehorsam etwas verändern kann? Ich habe mal einen Vortragsabend der Letzten Generation besucht, wo das etwas vereinfacht wie folgt erklärt wurde:

  1. Andere Aktionsformen der Gruppe, wie etwa das Abdrehen von Gasleitungen, sind in den Medien kaum wahrgenommen worden. Nur die direkte Konfrontation mit Menschen bringt Aufmerksamkeit. Wer nicht in den Medien ist, ist bedeutungslos.
  2. Andere Bewegungen, so etwa die Bürgerrechtsbewegung in den USA konnte mit Ungehorsam gegen die Rassentrennung die Gesellschaft verändern. Man muss also nur lange genug zivilen Ungehorsam praktizieren um Erfolg zu haben.

Diese Schlussfolgerung halte ich für sehr fraglich. Im Falle der Rassentrennung war der Verstoß dagegen im Grunde das Ausführen von alltäglichen Handlungen, die niemandem schadeten, während die Gegenproteste der Rechtsextremen zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens führten. Ziel des zivilen Ungehorsams war hier also, diesen unbegründeten Gegenprotest zu ermüden. Also genau anders herum, als bei der Letzten Generation, wo eine Ermüdung des sichtbaren Protests schlicht ein Misserfolg der Bewegung darstellt.

Nun ist es normal und Richtig, dass eine Bewegung verschiedene Ausprägungen annimmt, sich bestimmte Handlungsmuster als zielführend bewahrheiten und andere nicht. Ich bin ja gerade selbst angeklagt wegen Hausfriedensbruchs im Fecher. Das ist aber nicht das erste mal, dass ich vor Gericht stehe.

Das erste mal war für eine andere Aktion zivilen Ungehorsams: Ich hatte mich nach Ausschluss von einer Versammlung nicht entfernt. Was war passiert? Nun, ich bin als Politiker natürlich mit der Fahne meiner Partei zu einer Klimademo gekommen. Die Versammlungsleitung wollte durchsetzen, dass Menschen, die politisch aktiv sind, nicht wahrgenommen werden. Weil eine Bewegung müsse überparteilich sein, um ernst genommen zu werden und deswegen müsse man Parteien grundsätzlich verbieten.

Das halte ich für Quatsch. Bewegungen, die mit Parteien zusammenarbeiten sind in der Praxis erfolgreicher. Als Beispiele nehme ich hier mal den Christopher Street Day: Hier dürfen Parteien, die die Forderungen der Demo unterstützen, sogar mit Infostand auf dem Gelände teilnehmen. Die Bewegung ist durchaus erfolgreich und es gibt gesetzliche Initiativen. Als eine weitere Bewegung, die gleichwohl völlig andere Ziele verfolgte, nehme ich noch Pegida. Dort durften Parteien teilnehmen, was außer dem rechten Flüge der AfD aber niemand tat. Dadurch konnte dieser rechte Flügel wachsen, schließlich die gesamte AfD übernehmen und gleichzeitig als Partei enorme Wahlerfolge erzielen. Daraus folgen heute enorme, finanzielle Mittel, die eine Bewegung, wie Pegida, nie hatte. Die Bewegung ist hier quasi zur Partei geworden. Aber kann ich irgend jemand, der heute für mehr Fremdenfeindlichkeit aktiv ist, davon abhalten, wenn ich sage: Eure Bewegung ist ja gar nicht überparteilich!?

Fridays for Future als stärkste Bewegung der bundesdeutschen Geschichte, hatte stets die Grünen als nicht konsequent genug deklariert und es weder geschafft, diesen nachhaltig zu mehr Stimmen zu verhelfen, noch die eigenen Leute innerhalb dieser Partei aufzubauen oder andere politische Kräfte zu etablieren. Zur Blütezeit von FFF war dann plötzlich die CDU grüner als die Grünen, nur um in der nun kommenden Legislatur die wenigen Erfolge in Sachen Klimaschutz wieder zunichte zu machen. Und auch die Linken, die von der Klimabewegung befürwortet wurden, sind nun erfolgreicher, wenn sie Klimaschutz mehr in den Hintergrund rücken.

Nun hat die besagte Klimademo, von der ich ausgeschlossen wurde, sich ebenfalls für Solidarität mit einer Gruppe ausgesprochen, die einige Tage vorher eine Sitzblockade gegen Autoverkehr durchgezogen hatte. Die wollten also mit ihrem zivilen Ungehorsam Menschen zum Verzicht auf das Auto antreiben - was ja durchaus eine sehr große Umstellung des Privatlebens erfordert.

Ich dachte mir also: Probiere ich doch mal, ob auch ich mit zivilem Ungehorsam Menschen, die selbst an ZU glauben, davon überzeugen kann, eine sehr kleine Änderung an ihrer Demo zu akzeptieren, nämlich dass Parteien auch für Klimaschutz demonstrieren dürfen und dass zwischen den Fahnen von 20 verschiedenen Klimagruppen auch eine Parteifahne wehen kann, ohne dass man als nicht überparteilich betrachtet wird.

Nun, wie reagierte die Versammlungsleitung? Sie beauftragte die Polizei, mich - wenn nötig mit Gewalt - aus der Demo zu entfernen. Das war dann das erste mal, dass ich mich vor Gericht verantworten durfte. Witziger Weise trat ein Jahr später die Letzte Generation, für der bei besagter Demo Solidarität bekundet wurde, selbst zur Europawahl an. Seit dem dürfte sie auch nicht mehr an Demonstrationen dieser Klimagruppen teilnehmen.

Stand heute darf man davon sprechen, dass die Klimabewegung gestorben ist. Wir haben die meiste Energie in interne Konflikte gesteckt, das Thema Klimaschutz ist aus der Politik verschwunden. Die Klimabewegung hat sich vom medialen Interesse der Anfangszeit blenden lassen, ist dem Prinzip der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ auf dem Leim gegangen.

Die Letzte Generation konnte sich mit ihren Aktionen lange in den Medien halten, hatte dort dann aber wenig zu erzählen. Generelles Tempolimit: gut. Bürger:innenräte: nice to have. Aber Ob wir in Deutschland unabhängig von fossiler Energie werden, hängt zum Beispiel davon ab, ob wir die Erneuerbaren vom Ort der Erzeugung zu den Verbrauchern bringen können. Dafür müssen neue HGÜ-Trassen gebaut werden.

Während FFF seinen Zenit erreicht hatte, ist es gleichzeitig den Netzbetreibern nicht gelungen, neue Korridore für Hochspannungsleitungen genehmigt zu bekommen. Netzbetreiber, wie Amprion, sind Abspaltungen der großen Energiekonzerne. Daher hatte sich die Klimabewegung geweigert, für deren Interessen zu demonstrieren. Also weil Industrie und Bewegung in einem Punkt die gleiche Forderung vertraten, konnte sich die CDU durchsetzen und eine weitgehende Erdverkabelung der deutschen HGÜ-Trassen duchsetzen.

Das heißt, wir geben jetzt mehr Geld aus, um eine wenig getestete Technologie zu kaufen, die es erfordert, dauerhaft eine 40m breite Schneise von Bäumen freizuhalten. Freileitungen könnten bei Bedarf über den Baumwipfeln aufgehängt werden und sind leichter an höhere Spannungsniveaus anpassbar. Die Genehmigung von Freileitungen durchzusetzen wäre für die Bewegung in ihrer Blütezeit wohl ein leicht erreichbares Ziel gewesen, hätte Geld gespart, Natur geschont und der Industrie schneller mit bezahlbarer, erneuerbarer Energie bei ihrer Transformation geholfen.

Stattdessen hat sich die Bewegung an Klischee-Themen abgearbeitet und intern zerlegt. Die mediale Aufmerksamkeit für junge Menschen führte dazu, dass FFF in der Bewegung lange Zeit die zentrale Rolle einnahm, jedoch mangelte es an der notwendigen Erfahrung, eine solche Rolle angemessen zu bedienen. Stattdessen entbrannten Kämpfe um Aufmerksamkeit und Deutungshoheit.

Eine Bewegung, die viel hätte erreichen können ist nun kraftlos und unstrukturiert. Zeit, dass wir sie neu aufbauen!